Naturschutzstation Schloss HeynitzProjekteBestäuber im Fokus

Die Wildbienenkiste

Wildbienen, die Bedeutung der Bestäuberleistung durch wildlebende Insekten und der dramatische Rückgang der Fluginsekten sind heute in aller Munde. Wissenschaftliche Studien belegen den wesentlichen Anteil wildlebender Insekten an der Bestäubung unserer Kulturpflanzen. Vorträge, Bücher und Websites halten ein umfassendes und fachlich fundiertes Informationsangebot für jeden bereit. Sogenannte Insektenhotels sind ausgesprochen populär und, wenn auch der Nutzen für die Erhaltung der Vielfalt der einheimischen Insektenwelt anzuzweifeln ist, so zeugt deren Verbreitung doch von dem allgemeinen Wunsch, Wildbienen und andere heimische Bestäuberinsekten zu erhalten, zu fördern und durch Beobachtung kennenzulernen. Dieses wachsende Bewusstsein trägt auch in den zahlreichen Projekten zur Anlage von Blühwiesen im kommunalen und privaten Bereich reiche Früchte.

Bei aller Popularität der Begriffe „Wildbiene“ und „Bestäuberleistung“ und bei der Vielfalt der bereits zugänglichen Informationen zu den Themen erstaunen uns zwei Befunde: zum einen die noch immer verbreitete Unkenntnis oder falsche Vorstellungen über die Lebensweise und Entwicklung heimischer Wildbienenarten und zum anderen die weitgehend fehlende Veranschaulichung der Bestäuberleistung von Wildinsekten durch Bildmedien.

Zur Beobachtung und Visualisierung der Bestäubertätigkeit von Wildinsekten unter dem Motto „Auf frischer Tat“ anzuregen, ist neben der hier im Folgenden behandelten, unter dem Thema „Die  Wildbienenkiste“ stehenden Aufklärungsarbeit ein weiteres Anliegen unseres Programms „Bestäuber im Fokus“.

Unsicherheit über eigene Maßnahmen

Wildbienen sind mittlerweile Thema für fast jeden Gartenbesitzer und Naturfreund. Ein großer Teil der Grundstücksbesitzer und viele öffentliche Einrichtungen haben ein Insektenhotel, das, wenn es denn grundlegende Anforderungen erfüllt, auch zumindest von einzelnen verbreiteten Wildbienenarten mit oberirdischer Nistweise wie der Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis) beflogen wird. Aus der Nähe und der leichten Zugänglichkeit für Beobachtungen folgt aber nicht unbedingt eine adäquate Wahrnehmung der Beobachtungsobjekte.

Abgesehen von der eusozialen Honigbiene sind andere Lebens- und Entwicklungsformen von Hautflüglern und damit deren spezifische Ansprüche und Gefährdun-gen immer noch weithin unbekannt. Daher sind viele Bürgerinnen und Bürger unsicher im Umgang mit den vor die Haustüre und in die eigene Obhut geholten Lebewesen. Es bleiben viele Fragen und Zweifel darüber, ob das, was sie zur Förderung von Wildbienenarten tun oder beabsichtigen, tatsächlich ankommt. Ist die neue Anlage beziehungsweise ergriffene Maßnahme für die Insekten artgerecht eingerichtet und fördert sie diese? Oftmals zeigt sich in unseren Beratungsgesprächen, dass auch konkrete Beobachtungen viele Bürger aufgrund von Unkenntnis irritieren. Zum Beispiel wird an einer Wildbienennisthilfe jahreszeitweise viel Beflug beobachtet, kurz danach ist aber plötzlich Ruhe. Fragen tauchen auf wie: „Was machen diese Tiere im Winter?“, „Muss ich die Nistgänge jetzt saubermachen?“ oder sogar „Kann ich die Gänge mit einem Bohrer reinigen?“ und „Muss ich die Nisthilfen im Winter ins Haus räumen?“ Verschiedentlich wollen Bürgerinnen und Bürger ihre Kenntnisse zwar erweitern und bringen Beobachtungsmodule mit Glasröhrchen ein, das Beobachtungserlebnis in den nicht atmungsaktiven Strukturen erschöpft sich dann aber in dicken Schimmelwatten. Diese Beobachtungskästen erweisen sich dadurch als gefährliche Nestfallen, die nicht nur den Betrachter enttäuschen, sondern auch die Wildbienenvorkommen schädigen.

Erschwerter Zugang zu Informationen

In Gesprächen stellt sich häufig heraus, dass der Zugang zum Thema Wildbienen durch die erschlagende Vielfalt und den Umfang vorhandener Informationen erschwert ist. Thematisiert wird in der Regel die enorme Artenvielfalt in ihrer ganzen Breite. Vielen signalisiert dies, dass Wildbienen zwar hochinteressant sind, die Auseinandersetzung mit ihnen aber eine ausgesprochene Expertentätigkeit ist. Auf der anderen Seite steht der allgemein verbreiteten Befassung mit Wildbienen, zum Beispiel im Rahmen von „Insektenhotels“, zumeist kein wirklicher Zugang zu den Beobachtungsobjekten, keine wesentliche Erkenntnis und oft auch kein erfüllendes Erleben gegenüber.

Ein wesentliches Ziel des Projekts ist es, die für weite Kreise naturinteressierter Menschen immer noch bestehenden Zugangsbarrieren zur eingehenden Beschäftigung mit Wildbienen und anderen Bestäuberinsekten und ihrer Lebensweise abzubauen. 

Eine Lösung: die „Wildbienenkiste“

In der NABU-Naturschutzstation Schloss Heynitz entwickelten wir daher ein neues System für Wildbienenbeobachtungskästen. Sowohl die kompletten einzelnen Beobachtungsbrettchen mit Sichtfolie als auch die Fräs- und Deckbrettchen gesondert als Baustein sind im Handel erhältlich.

Neu an unserem Ansatz ist das Gesamtkonzept der gleichzeitig sicheren und durch Nummerncode eindeutigen Einordnung im Kasten auf der einen und die leichte und störungsarm mögliche Entnahme der Beobachtungsbrettchen auf der anderen Seite. Der Standard der Bestückung (BrettchenNr. 1 mit Fräsrillen von neun Millimetern, Brettchen Nr. 2–5 mit Bohrungen von neun, sechs und vier Millimetern) ermöglicht zudem perspektivisch, die Informationen und Fotos für ein eventuelles exaktes Monitoring zu verwenden. Wirklich wildbienentauglich und damit auch für wertvolle Beobachtungen geeignet, sind die Beobachtungskästen durch das atmungsaktive Material der Fräsbrettchen (MDF-Platte) und die geschützte, luftige Unterbringung im Kasten. Es besteht keine Gefahr der Brutzerstörung durch Schimmel. Die Fräsgänge sind mit 15 Zentimetern in ihrer Länge ausreichend bemessen. Natürlich kann ein Schaukasten für oberirdische Hohlräume besiedelnde Wildbienenarten nur ein kleiner Baustein zur Vermittlung eines Zugangs zur vielfältigen Welt der heimischen Wildbienen sein. Wenn gleichzeitig auf die Vielfalt der anderen Nestbautypen hingewiesen wird, ist er aber ein guter Einstieg für die Vermittlung grundlegender Kenntnisse, zumal hiermit Arten und Aspekte erläutert werden können, zu denen durch die Verbreitung von   Wildbienenhotels sowie den Einsatz als Kulturpflanzenbestäuber bereits ein Bezug besteht.  

Der Typus unseres Beobachtungskastens ist keinesfalls als weitere von bereits zahllos vorhandenen Bastelideen für Insektenhotels gedacht. Er ist vorgesehen:

- als ein Werkzeug für die fundierte Wissensvermittlung durch Umweltbildnerinnen und Umweltbildner unserer Stationen und als anschauliche, dabei aber störungsarme Präsentationsmöglichkeit für die Bürgerinformation und Umweltbildung.

- als Beispiel und Baustein für die Anregung zur systematischen, auf Erkenntnisgewinn und -vermittlung fokussierten Beobachtung und Wahrnehmung wesentlicher Aspekte der Lebensweise und Umweltansprüche wichtiger Bestäuberarten.

In der Bürgerinformation helfen die Erkenntnisse aus den Beobachtungskästen, über Fehler bei der Anlage und Betreuung von Insektenhotels aufzuklären sowie grundlegendes Wissen zu Lebensweisen, Ansprüchen, Entwicklung und Phänologie heimischer Wildbienenarten zu vermitteln. Damit wird auch die Sicht auf die eigentlich wesentlichen, natürlichen Habitatstrukturen und den Umgang damit gelenkt. Denn trotz des prinzipiellen Engagements für Wildbienen besteht immer noch eine verheerende Praxis der Pflege von Außenanlagen sowohl im privaten als auch öffentlichen Raum. So wird zum Beispiel trotz der Anschaffung eines mondänen Insektenhotels ringsum noch vor dem Winter Ordnung geschaffen oder ein Frühjahrsputz gestartet – anstatt auch mit einem naturnahen Garten Insekten natürliche Herbergen zu bieten.

Andreas Hurtig (NABU-Naturschutzstation Schloss Heynitz, hurtig_at_NABU-Sachsen.de)


Download: Die Wildbienenkiste (aus dem NABU Report 2020) (PDF) | 0.65 MB


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